Ausgangssituation
Das Blocksanierungsgebiet „Gudrunstraße II“ umfasst 118 Gebäude und liegt im Norden des dicht bebauten 10. Wiener Gemeindebezirks, welcher den historischen Arbeiterbezirk Favoriten bildet. Großteils überwiegt die Blockrandbebauung aus gründerzeitlichen Zinshäusern, die sich jedoch mit unterklassig bebauten Liegenschaften und Neubauten abwechselt. Voruntersuchungen im Gebiet ergaben, dass ein vergleichsweise hoher Sanierungsbedarf der Bausubstanz vorliegt und das Gebiet einen überdurchschnittlich hohen Anteil an Substandardwohnungen aufweist. Dies hat zur Folge, dass insbesondere sozial schwächere Familien und Bewohner*innen dort anzutreffen sind. Es handelt es sich um ein typisch „historisch gewachsenes“ Stadtviertel, in dem sich einerseits Gebäude aus der Gründerzeit wie auch Gebäude aus allen Generationen der Nachkriegszeit befinden. Somit ist dieses Projekt repräsentativ für zahlreiche weitere Wohngebiete in Wien, die in derselben Art strukturiert sind. Eine erste Abschätzung des Heizwärmebedarfs des Gebiets Gudrunstraße II zeigt, dass dieser aktuell 16 GWh/a übersteigt und die Versorgung überwiegend mit dezentralen Erdgas-Heizungen erfolgt. Eine erste Abschätzung auf Basis von Erfahrungswerten der Projektpartner, wie sehr der Energieverbrauch durch Sanierungen gesenkt werden kann, zeigt ein theoretisches Einsparpotential von mehr als 70 %.
Ziele & Ergebnisse
Das Projekt verfolgt die Vision, dass die aktuelle Ausgangslage im Gebiet „Gudrunstraße II“ soweit gewandelt wird, dass das Quartier zu einer Vorzeigeregion für Wien wird. Bis zum Jahr 2030 soll, so die Vision, eine weitreichende Verbreitung der demonstrierten Technologien und Strategien erfolgen können, sodass durch katalysierte Folgeprojekte im Gebiet „Gudrunstraße II“ eine weitreichende Umsetzung des Maßnahmenplans möglich gemacht wird. Im Rahmen des Projekts werden dazu die Aktionsfelder „Energieversorgung und -nutzung“, „Bestand und Neubau“, „Stadtökologie und Klimawandelanpassung“ sowie „Kommunikation und Vernetzung“ inhaltlich erörtert und abgehandelt. Konkrete geplante Maßnahmenumsetzungen umfassen das Leuchtturm-Projekt der Sanierung eines typischen Gründerzeitgebäudes, den Pilotversuch einer Energiegemeinschaft und die demonstrative Umsetzung exemplarischer Maßnahmen. Um diese Vision und den dargestellten Projektprozess erreichen zu können, sind folgende messbare und prüfbare Ziele definiert worden: die Entwicklung eines umsetzungsorientierten Maßnahmenplans für das Gebiet „Gudrunstraße II“, um dieses in eine Wiener Vorzeigeregion zu verwandeln und in diesem bis zum Jahr 2040 CO2-Neutralität erreichen zu können; die demonstrative Umsetzung eines Leuchtturm-Sanierungsprojekts mit Nachverdichtung eines typischen, repräsentativen Gründerzeit-Gebäudes; die Umsetzung eines Pilotversuchs einer Photovoltaik-Energiegemeinschaft, wobei der Zugang zu erneuerbaren Energien sämtlichen interessierten Bewohner*innen im Gebiet „Gudrunstraße II“ ermöglicht werden soll; die Erreichung eines hohen Anteils an Projektinteressent*innen und Projektteilnehmer*innen; eine Verbesserung des städtischen Mikroklimas durch die demonstrative Umsetzung von Stadtbegrünungstechniken, wodurch die positiven Auswirkungen auf das Mikroklima in Gebäudenähe demonstriert und die durch Stadtgrün gesteigerte Freiraumqualität vermittelt werden soll.
Innovation
Der erste Innovationsansatz ist die angestrebte Umsetzung einer Energiegemeinschaft unter Ausnutzung des Strommarkt-Ansatzes der Kooperationspartner und unter Mitwirkung des wohnfonds_Wien. Der im Projekt angedachte Strom-Marktplatz und das Modell der sharing community sollen eine Eigenvermarktung von privatem Strom an andere Teilnehmer*innen der Gemeinschaft erlauben. Zusätzlich besteht bei diesem Ansatz die Möglichkeit, optimierend über eine Wohnanlage hinaus in das Netz einzugreifen, nicht über das Wegschalten von Erzeugungsanlagen, sondern durchs Zuschalten von zeitunkritischen Verbrauchern bei Überschussproduktion, um die Energie regional sofort zu verbrauchen. Der zweite Innovationsansatz ist die erstmalige, demonstrative Installation eines Systems zur gleichzeitigen stofflichen und thermischen Verwertung von Grauwasser. Das System ermöglicht die Nutzung von in Gebäuden anfallendem warmen Grauwasser als thermische und stoffliche Ressource, indem das Grauwasser gereinigt, Wärme rückgewonnen und das Filtrat zur Bewässerung einer Fassadenbegrünung genutzt wird. Dieses System wird derzeit im Rahmen des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie geförderten Forschungsprojekts „greenWATERrecycling“ bis zum Prototypen entwickelt. Der dritte Innovationsansatz ist die Entwicklung eines Maßnahmenplans zur ganzheitlichen Sanierung und Förderung des Projektgebietes „Gudrunstraße II“, der in den folgenden zehn Jahren größtenteils umgesetzt werden soll. Ein wesentlicher Punkt, um die tatsächliche Umsetzbarkeit zu gewährleisten, ist dabei die Errichtung des Leuchtturmprojekts eines typischen Gründerzeitgebäudes, wo die Durchführbarkeit der Maßnahmen getestet werden kann. Ein relevanter Aspekt des Maßnahmenplans ist zudem ein innovatives Finanzierungmodell für die Sanierungen der einzelnen Wohnblöcke, z.B. in thermischer Hinsicht, dass die Erhaltung leistbarer Mietzinse für die derzeitige Bevölkerung erreicht werden kann.
Forschungsergebnisse in die Praxis überleiten
Das im laufenden Forschungsprojekt „greenWATERrecycling“ entwickelte Konzept zur gleichzeitigen stofflichen und thermischen Verwertung von Grauwasser wird im Projekt „QUEEN Gudrun II“ in einem Demonstrationsgebäude umgesetzt. Ebenso soll das von eFriends Energy GmbH entwickelte Modell der Energiegemeinschaft und des gemeinsamen Strommarkts erstmals im urbanen Umfeld zur Anwendung kommen. Zudem fließen Forschungsergebnisse aus dem Netzwerk von GRÜNSTATTGRAU direkt in den Maßnahmenplan mit ein.
Stadt als Testbed nutzen
Die Sanierung eines typischen Gründerzeitgebäudes wird als Leuchtturm-Projekt umgesetzt. Zudem soll anhand eines demonstrativen Pilotversuchs das Modell einer gebäudeübergreifenden Energiegemeinschaft realisiert werden. Ebenso werden in enger Vernetzung mit anderen Projekten, wie „50GrüneHäuser“, Stadtbegrünungstechniken demonstrativ umgesetzt und analysiert. Ein starker Fokus wird auch auf Dialoge zwischen Bevölkerung und Beteiligten sowie ökologische und sozial nachhaltige Aspekte gelegt.
Kommunalen Mehrwert erzeugen
Kurzfristige Auswirkungen der getesteten Lösungen werden unmittelbar im partizipativen Planungsprozess evaluiert. Mittel- und langfristige Auswirkungen sollen anhand des entwickelten Maßnahmenplans und über den wohnfonds_Wien und die Gebietsbetreuung evaluiert werden. Die wirtschaftliche Machbarkeit soll anhand des Leuchtturm-Projekts und des Pilotversuchs der Energiegemeinschaft demonstriert werden. Zudem spielt die sozial verträgliche Finanzierbarkeit der Maßnahmen eine wesentliche Rolle.
Summary
The quartier rehabilitation area „Gudrunstrasse II“ is a typical „historically grown“ quarter, which contains buildings from the “Gründerzeit” as well as buildings from all generations of the post-war period. Thus, this project is representative of numerous other residential areas in Vienna, which are structured in the same way. The quartier rehabilitation area comprises a total of 118 buildings, the construction of which is largely in need of refurbishment. An initial estimate of the heating demand of the Gudrunstrasse II area shows that this is currently around 16 GWh/a and is mainly supplied by decentralised natural gas heating systems. A first estimate shows a theoretical energy saving potential through comprehensive renovations of more than 70 %. At the moment, however, there are no tried-and-tested, holistic model concepts for comparably large building projects with well over 100 typical apartment buildings in order to implement energy-efficient, socially and environmentally friendly renovations within a reasonable time frame. In the present project, therefore, the fields of action „Energy Supply & Utilization“, „Inventory & New Buildings“, „Urban Ecology & Climate Change Adaptation“ as well as „Communication & Networking“ are addressed and treated intensively. As part of the project, a demonstration building will be implemented as a lighthouse-refurbishment, whereby a world-wide first demonstrator for the simultaneous material and thermal utilization of greywater will be used. As part of a pilot experiment, an energy community will be set up for the first time, which can exchange self-generated energy among its memebers. In addition, a participatory planning process will be held with residents and relevant actors to develop a masterplan for measures for the area.